Die Wahrung der Volksrechte ist das oberste Ziel der Bundeskanzlei. Sie setzt darum alles daran, Unterschriftensammlungen für eidgenössische Volksinitiativen und Referenden zu ermöglichen. Wer Unterschriften fälscht, macht sich strafbar und manipuliert den Volkswillen. Die Bundeskanzlei geht darum konsequent dagegen vor, und das seit einigen Jahren, seit sie das Problem erkannt hat.
Die Bundeskanzlei sorgt dafür, dass Verdachtsfälle zur Anzeige gebracht werden. Sie hat im Jahr 2022 selber Strafanzeige gegen unbekannt eingereicht und diese Anzeige mehrfach um neue Verdachtsfälle ergänzt. Derzeit bereitet sie eine zweite Strafanzeige vor, weil Verdachtsfälle hinzugekommen sind, die auf eine in weiteren Kantonen aktive Täterschaft hindeuten. Im Rahmen ihrer Aufgaben bei der Auszählung der Unterschriften führt sie verstärkte Kontrollen durch bei Listen aus Kantonen, aus denen ihr Hinweise auf Unterschriftenfälschungen vorliegen. Die Bundeskanzlei nutzt überdies ihre engen Kontakte zu Kantonen, Gemeinden und Komitees, um diese wichtigen Akteure für das Problem zu sensibilisieren.
So lange die laufenden Strafuntersuchungen nicht abgeschlossen sind, kann die BK keine gesicherten Aussagen machen über das Ausmass mutmasslicher Unterschriftenfälschungen. Doch ihres Erachtens liegen keine belastbaren Indizien vor für die Vermutung, dass über Vorlagen abgestimmt wurde, die nicht rechtmässig zustande gekommen sind.
Aufgrund des Amtsgeheimnisses und der laufenden strafrechtlichen Verfahren war es der Bundeskanzlei nicht möglich, die Öffentlichkeit über dieses Problem zu informieren. Sie begrüsst jedoch die Diskussion, die nun angestossen wurde.
Die Bundeskanzlei prüft derzeit, ob neben der Repression (Strafverfolgung) in den Bereichen Prävention, Instruktion, Wissenschaft und Rechtssetzung weitere Sofortmassnahmen angezeigt und nötig sind, um gegen mögliche Unterschriftenfälschungen vorzugehen. Dabei stehen insbesondere ein engmaschigeres Monitoring von Unterschriftensammlung, die Beratung der Beteiligten (Kantone, Gemeinden und Komitees) sowie mögliche technische Lösungen im Vordergrund. Grundsätzliche Änderungen der geltenden Vorgaben für Unterschriftensammlungen bedürften gesetzlicher Anpassungen.
Weitere Fragen und Antworten
Worum geht es genau?
Es geht um die mutmassliche Fälschung von Unterschriften im Zusammenhang mit eidgenössischen Volksbegehren. Die Bundeskanzlei steht im regelmässigen Austausch mit Kantonen, Bescheinigungsstellen (i.d.R. Gemeinden) und Komitees. Von diesen Stellen wurden der BK seit Anfang Jahr vermehrt Fälle von auffälligen Unterschriftenlisten gemeldet, bei denen der Verdacht besteht, dass Dritte anstelle der eingetragenen Stimmberechtigten die Unterschriftenlisten ausgefüllt und unterzeichnet haben.
Könnte es sein, dass Referenden oder Initiativen unrechtmässig zustande gekommen sind?
Für die in den Medien portierten Zweifel, wonach möglicherweise über Vorlagen abgestimmt worden sei, die nicht rechtmässig zustande gekommen sind, fehlen belastbare Indizien. Solange die laufenden Strafuntersuchungen nicht abgeschlossen sind, ist der Bundeskanzlei nicht möglich, gesicherte Aussagen über das Ausmass mutmasslicher Fälschungen zu machen. Die laufenden Verfahren und Abklärungen begleitet sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten. Die Zahl der von den Gemeinden für ungültig erklärten Unterschriften, die der BK zur Kenntnis gebracht wurden, lassen darauf schliessen, dass die Kontrolle der Gültigkeit der eingereichten Unterschriften durch die Gemeinden funktioniert.
Was hat die Bundeskanzlei gegen das Problem gefälschter Unterschriften unternommen?
- Strafanzeige:
Aus Sicht der BK ist es zentral, dass Verdachtsfälle von Unterschriftenfälschungen zur Anzeige gebracht werden. Sie handelt entsprechend und leitet Hinweise auf gefälschte Unterschriften, die sie von den Gemeinden, Kantonen und Initiativkomitees erhält, der Bundesanwaltschaft weiter. Im Oktober 2022 hat die Bundeskanzlei bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeige gegen unbekannt erstattet wegen mutmasslich gefälschter Unterschriften für eidgenössische Volksinitiativen. Diese Strafanzeige hat die BK in der Folge mit aufgetretenen Verdachtsfällen im Zusammenhang mit Unterschriftensammlungen für verschiedene Volksinitiativen mehrfach ergänzt. Die betreffenden Unterschriftenlisten wurden allesamt den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt. Derzeit wird aufgrund neuer Hinweise, die auf eine in zusätzlichen Kantonen aktive Täterschaft hindeuten, eine zweite Strafanzeige vorbereitet. Den Ausgang der laufenden Verfahren gilt es jetzt abzuwarten. Unterschriften zu fälschen ist ein Offizialdelikt und wird bestraft mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe (StGB Art 282 Abs 1).
- Prävention, Information und Instruktion:
Die Bundeskanzlei ist im engen Kontakt mit Kantonen, Gemeinden und Komitees und sensibilisiert diese für das Problem. So wurden die für die politischen Rechte verantwortlichen Stellen bei den Kantonen angewiesen, solche Verdachtsfälle ernst zu nehmen und rasch zu handeln, wenn konkrete Anzeichen dafür im Raum stehen, und sie wurden angewiesen, Verdachtsfälle der Bundeskanzlei umgehend zu melden, damit das weitere Vorgehen (insbesondere auf strafrechtlicher Ebene) abgesprochen werden kann. Im regelmässigen Austausch der Bundeskanzlei mit Initiativkomitees werden, sofern angezeigt, auch Verdachtsfälle thematisiert.
- Kontrolle:
Die Bundeskanzlei setzt, im Rahmen ihrer Aufgaben bei der Auszählung der Unterschriften, einen zusätzlichen Kontrollschwerpunkt auf Listen aus Kantonen, aus denen ihr Hinweise auf Unterschriftenfälschungen vorliegen.
Wie gross ist das Problem?
Die Hinweise über Verdachtsfälle betreffen in unterschiedlichem Ausmass rund ein Dutzend eidgenössische Volksinitiativen und deuten auf eine Zunahme des Phänomens hin.
Seit wann ist der Bundeskanzlei dieses Problem bekannt?
Missbräuche, wie einzelne gefälschte Unterschriften oder auch mehrfache Unterzeichnungen von Volksinitiativen durch die gleiche Person, sind eine seit längerem bekannte Unregelmässigkeit. Eine auffällige Häufung wurde der Bundeskanzlei im Jahr 2022 gemeldet. Seither nahmen die Meldungen weiter zu. Und: Ging es zu Beginn schwergewichtig um Unterschriftenlisten aus Gemeinden der Westschweiz, sind seit letztem Winter zunehmend auch Verdachtsmeldungen aus der Deutschschweiz zu verzeichnen.
Warum hat die BK die Öffentlichkeit nicht über dieses ihr bekannte Problem informiert?
Die Bundeskanzlei hat auf Anfrage hin auf hängige Verfahren verwiesen. Doch das Amtsgeheimnis, die Unschuldsvermutung, die laufenden strafrechtlichen Verfahren sowie der Schutz der Abstimmungsfreiheit gemäss Art. 34 Abs. 2 BV gebieten es der Bundeskanzlei, die bestehenden Verdachtsfälle diskret zu behandeln. Das erste Anliegen ist es, dass allfällige Täter gefasst werden. Es gilt auch zu vermeiden, dass die Bundeskanzlei mit ihren Informationen die Meinungsbildung zur einen oder anderen Initiative beeinflusst.
Wer ist zuständig für die Feststellung der Gültigkeit von Unterschriften für Initiativen und Referenden?
Für die Feststellung, ob Unterschriften für eidg. Volksinitiativen und Referenden bescheinigt werden, sind die stimmregisterführenden Stellen zuständig (d.h. die Gemeinden mit Ausnahme des Kantons Genf, wo die Zuständigkeit beim Kanton liegt). Diese Stellen prüfen für jeden Eintrag anhand der zur Feststellung der Identität notwendigen Angaben (Name, Vornamen, Adresse, Geburtsdatum), ob die entsprechende Person im jeweiligen Stimmregister eingetragen ist. Die Unterschrift an sich ist nicht im Stimmregister hinterlegt (weshalb es sich auch nicht um eine Beglaubigung der Unterschrift handelt). Wird eine Unterschrift nicht bescheinigt, gilt sie als ungültig und wird somit nicht an das für das Zustandekommen benötigte Quorum angerechnet. Nach Einreichung der Unterschriftenlisten vor Ablauf der Sammelfrist durch das Initiativkomitee bei der BK prüft ein Auszählteam, ob die eingereichten Unterschriftenlisten und Stimmrechtsbescheinigungen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und somit gültig sind. Für die Feststellung, ob beim Sammeln von Unterschriften Straftaten begangen wurden, namentlich die Fälschung des Ergebnisses einer Unterschriftensammlung (insbesondere durch Hinzufügen von Unterschriften) nach Art. 282 Ziff. 1 StGB, sind die Bundesanwaltschaft respektive ggf. die Strafjustiz zuständig.
Sieht die BK Nachkontrollen vor?
Aufgrund von Hinweisen auf mutmassliche Fälschungen und möglichen Vergehen gegen den Volkswillen, hat die BK Kontrollen der bescheinigten Unterschriften bei entsprechenden Volksinitiativen aus betreffenden Kantonen zusätzlich verstärkt. Es liegen der Bundeskanzlei keine Anhaltspunkte vor, welche die eingereichten und für gültig erkannten Unterschriften in Zweifel ziehen. Eine selektive Nachkontrolle einzelner Volksinitiativen erscheint deshalb nicht gerechtfertigt, allenfalls sogar problematisch. Der rechtliche Spielraum dafür wäre überdies begrenzt: Nach Artikel 64 BPR dürfen eingereichte Unterschriften weder zurückgegeben noch eingesehen werden.
Wäre ein Verbot des bezahlten Unterschriftensammelns oder eine Zertifizierung der Unternehmen, die Unterschriften gegen Bezahlung sammeln, für die Bundeskanzlei eine Lösung?
Über eine solche Massnahme muss letztlich der Gesetzgeber entscheiden. Schon öfter wurde im Zusammenhang mit unlauteren Methoden des Unterschriftensammelns die Forderung erhoben, die bezahlte Sammeltätigkeit einzuschränken. Eine solche Einschränkung haben Bundesrat und Parlament wiederholt abgelehnt (zuletzt das Parlament: Parlamentarische Initiative Porchet 22.471 sowie Motion Reynard 20.3015). Der Bundesrat hat dabei unter anderem darauf hingewiesen, dass aufgrund von Einzelfällen nicht geschlossen werden dürfe, dass beim bezahlten Unterschriftensammeln generell unlautere Methoden angewandt würden, dass ein Verbot desselben paradoxerweise dazu führen könnte, dass nur noch etablierte, finanzstarke Gruppierungen es schaffen, das Unterschriftenquorum zu erreichen sowie dass es schwierig wäre, die erlaubten bezahlten Tätigkeiten während des Sammelns von den unerlaubten abzugrenzen.