Fart proudly!

Bern, 01.07.2022 - Maturfeier Kantonsschule Glarus - Rede von Bundeskanzler Walter Thurnherr

«Es gibt Leute, die glauben, alles wäre vernünftig, was man mit einem ernsthaften Gesicht tut»

Georg Lichtenberg

Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich zuerst der Schulleitung und der Regierung des Kantons Glarus für das Entgelt zu diesem Auftritt hier danken. Auch wenn ich anfänglich gezögert habe, die 12'000 Franken anzunehmen, muss ich sagen: Der Betrag ist der 90-minütigen Ansprache – und ich lese also alles selber ab – angemessen, und er entspricht auch ungefähr dem, was die Deutschen für eine Rede ihres Bundeskanzlers aufwerfen. Vielen Dank! (Damit ist das Formelle erledigt.)

Ich werde heute über zwei Dinge sprechen: Erstens über den Humor, und zweitens über den «Passé simple». Aber zuerst möchte ich allen Absolventinnen und Absolventen aufrichtig zu ihrer Matura gratulieren. Sie haben damit Ihre Eltern spürbar erleichtert, entlastet und erlöst. Über Jahre sind letztere schweissgebadet im Bett aufgeschreckt, weil sie davon geträumt haben, ihr Sohn werde ein Leben lang videospielsüchtig bleiben. Verzweifelt haben sie Ausreden gesucht, um nicht in die Chemie-Aufgaben ihrer Tochter hineingezogen zu werden. Und von den Integral- und Differenzialrechnungen wollen wir gar nicht erst anfangen. Endlich ist die Zeit des Bangens und Ringens vorüber: sie – die Eltern – haben es geschafft! Mit der Matura ist ein sehr wichtiger Abschnitt im Leben jedes Vaters und jeder Mutter erreicht, und das ist mindestens diese Feier hier wert.

Und jetzt noch im Ernst: Liebe Absolventinnen und Absolventen, Sie dürfen ruhig stolz sein auf Ihre Matura. Und ich glaube, das verdient – insbesondere im Namen des Gesamtbundesrats – auch einen kräftigen Applaus!

Nun noch etwas ernster, zum ersten Punkt, dem Humor: 

Und zwar deshalb zum Humor, weil man vor, bei und nach Maturafeiern oft zu hören bekommt, dass mit dem Reifezeugnis zwar etwas Erstes, Anständiges erreicht worden sei, aber dass nun das ernste, harte, selbstständige und eigentliche Leben beginne. Und dann erhält man gratis 15 ernstgemeinte Ratschläge und Weisheiten über das Überleben in der finsteren Welt da draussen, die mit grossem Eifer mahnend vorgetragen werden. Verpackt mit den freundlichsten Worten und gutgemeinten Hinweisen wird aufgezeigt, gewarnt, geängstigt und entmutigt, so dass am Schluss der Eindruck entsteht, man hätte mit dem Maturzeugnis nicht endlich die ersehnte Freiheit erlangt, sondern würde vom beschaulichen Bezirksgefängnis in ein regelrechtes Arbeitslager verlegt.

Bis heute sind zuweilen Maturazeugnis-Übergaben zu feierlichen Unterweisungen in Lebens- und Karriereplanung verkommen, bei denen man von einem mauschelnden akademischen Würdenträger oder einem dauerstrahlenden Unternehmer (der aussieht, als würde er vier Stunden pro Tag in einem Fitness-Studio verbringen) eindringlich vermittelt bekommt, dass sich die Zeit nach der Matura als eine einzige Anhäufung gewaltiger Herausforderungen herausstellen werde und sich das Leben erbarmungslos für jede Ausgelassenheit rächen wird, die man sich an der Kanti vielleicht noch leisten konnte.

Sollten Sie je in den Sog einer solchen Diskussion oder Veranstaltung geraten, ballen Sie die Faust und schreien Sie! Denn die Ernsthaftigkeit, zu der man Sie damit anhalten will, ist ein eitler und oft falscher Ratschlag. Der Eindruck, dass Humor bis 20 zugelassen, und nachher nur noch in der Mittagspause angezeigt ist, wäre verheerend. Die Auffassung, «Reife» sei im Wesentlichen dasselbe wie angepasster Ernst, und die Vorstellung, man müsse in Zukunft ernst sein, um ernst genommen zu werden, ist Chabis. Die säuerliche Metapher mit dem «Ernst des Lebens» ist völlig unbrauchbar. 

Im Gegenteil, wer Humor hat, dem gehört die Welt! Und ich meine mit Humor nicht das dumpfe «Dauergrinsen» oder das «Sich-lustig-machen» auf Kosten anderer. Sondern die Fähigkeit, über die kleinen und grossen Unzulänglichkeiten des Lebens lachen zu können. Wer Humor hat, ist eben gerade nicht oberflächlich, sondern sieht die Einzelheiten und Widersprüche, die anderen entgehen. Wer Humor hat, erkennt dort Zusammenhänge, wo andere keine Verbindung herstellen. Und vor allem: Wer Humor hat, kann über sich selber lachen. Sie glauben nicht, wie viele Leute sich wahnsinnig wichtig nehmen, und ich arbeite in Bundesbern, ich weiss, wovon ich spreche. Und wie unendlich angenehmer es ist, wenn einer sich einmal nicht so ernst nimmt. Geht es Ihnen nicht auch so: Auf die Länge gibt es kaum etwas Nervigeres und Langweiligeres als Kollegen, die das ganze Jahr in einem verregneten Zustand der Lustlosigkeit den Wänden entlang schleichen und ohne Grund eine Miene aufsetzen, als trügen sie ein Schild vor sich her, auf dem steht: «Wer sich mit mir verstehen will, muss zuerst das düstere Geheimnis meiner Nachdenklichkeit lüften. Denn ich bin wahnsinnig gescheit und nicht so ein Simpel wie die gut gelaunte Mehrheit in dem Raum, in dem ich mich gerade aufhalte».

Natürlich kann man auch ohne Humor klüger werden. Newton war alles, nur nicht lustig, und trotzdem genial. Schopenhauer war tiefgründig, aber bestimmt nicht bekannt für seine Lachanfälle. Henrik Ibsen ein äusserst kreativer Kopf und trotzdem kein Ausbund an Heiterkeit, ganz im Gegenteil. Aber der Umkehrschluss ist eben auch nicht richtig: Nur weil man ein Faltengesicht aufsetzt und aus Prinzip die Nase rümpft, ist man noch nicht wahnsinnig gescheit. Da ist mir Benjamin Franklin lieber, der sich über die gestelzten Titel der wissenschaftlichen Arbeiten seiner Zeit derart amüsiert hatte, dass er in einem Schreiben an die königliche Akademie von Brüssel genauso geschwollen über die Nachteile des Furzens philosophierte und einen Preis für die Entdeckung einer Pille vorschlug, «that shall render the natural discharges, of wind from our bodies, not only inoffensive, but agreeable as perfumes». Das Paper wurde bekannt unter dem Titel «Fart proudly». 

Im Übrigen ist es auch möglich, ohne Klugheit glücklich zu werden. Vor Jahren gewann in Spanien ein Mann in einer Lotterie Millionen, mit einer Lottozahl, die auf 48 endete. Gefragt von einem Journalisten, gab der Spanier zu bedenken, die Zahl 48 sei nicht zufällig gewählt. Er habe an sieben Tagen hintereinander etwas erlebt, das mit 7 zu tun hatte. 7x7 gleich 48. Quod erat demonstrandum (ich weiss nicht, ob der Journalist die Unhöflichkeit hatte, darauf hinzuweisen, dass 7x7 49 ergibt, oder ob er die Komik der Situation im Stillen genoss).

Humor ist ein Vorteil, den man pflegen und fördern sollte. Wie sagte ein grosser Berner Staatsmann und Philosoph, ich glaube es war Albrecht von Haller: «Rire, c’est bon pour la santé!». Tatsächlich, Lachen lindert den Schmerz, stärkt das Immunsystem, verbessert die Durchblutung und hilft gegen Fachidiotismus und Betriebsblindheit.

Aber das alles ist nicht der Grund, weshalb ich Ihnen empfehle, gegen die elitäre Humorlosigkeit anzutreten, als ginge es um den Autoverkehr im Klöntal. Es gibt zwei weitere, wichtige Argumente, die gegen den Bierernst und für den Humor sprechen:

Erstens: Es besteht ein nicht zu vernachlässigender Zusammenhang zwischen Lachen und Lernen.  Wer Humor hat, lacht nicht nur über seine eigenen Fehler. Er lässt sie auch zu und lernt dabei. Probiert noch einmal, und fällt erneut, aber lernt noch besser. Wer keine Fehler machen will, wird auch nichts Neues ausprobieren, und wer nichts Neues ausprobiert, wird auch nicht besser. Humor ist in diesem Sinn eine sehr progressive Einstellung, weil er Fehler und Fortschritt eher erlaubt als der schnell gekränkte Stolz, der lieber nichts tut als einen Fehltritt.

Fehler zu machen, ist jedoch unerlässlich. Jeder macht Fehler, und es gibt keinen Zusammenhang zwischen Anzahl Fehlversuchen und Anzahl IQ-Punkte. Wissen Sie, ich und Albert Einstein, wir gingen ans selbe Gymnasium, an die alte Kantonsschule Aarau. Beide haben wir danach theoretische Physik studiert. Beide an der ETH Zürich. Beide wurden wir anschliessend vom Bundesrat zum Bundesbeamten gewählt, oder wie Einstein sagte, zum eidgenössisch diplomierten Tintenscheisser. Wir hatten objektiv zu hundert Prozent die exakt genau gleiche Lebenskurve! Und weshalb unsere Wege sich danach so auseinanderbewegt haben, ist nach wie vor Gegenstand zäher Diskussionen zwischen mir und meinem Therapeuten. Aber es gibt wohl keinen so angesehenen Wissenschaftler wie Einstein, der im Laufe seiner Karriere so oft einen Bock nach dem anderen geschossen hat. Vor zwei Jahren hat Carlo Rovelli ein interessantes Papier über die Anzahl Fehler geschrieben, die Einstein unterlaufen sind. Sehr unterhaltsam. Der Witz war eben, dass Einstein von seinen Fehlern gelernt und jedes Mal einen Neuversuch gewagt hatte. In der Wissenschaft ist das eine Tugend, anderswo eher weniger.

Obwohl das Gegenteil behauptet wird, wir haben an vielen Orten der Schweiz längst keine Fehlerkultur mehr. Vor allem in den Verwaltungen auf allen Stufen, und wahrscheinlich auch anderswo, werden die Fehler rücksichtslos verfolgt und angezeigt. Das ist auch gut so, schliesslich sorgt man damit dafür, dass das Gesetz eingehalten und dass möglichst effizient gearbeitet wird. Immer wieder stösst man auf zum Teil skandalöse Missstände und deckt sie auf.  Aber das allein ist eben noch keine Fehlerkultur. Fehlerkultur ist die Eigenschaft von Institutionen, kleinere Fehler zuzulassen, um aus ihnen zu lernen, das heisst einen Unterschied zu machen zwischen Misstritten und Verbrechen. Fehlerkultur heisst in einem Inspektionsbericht zwar auf eine Unregelmässigkeit hinzuweisen, aber diese im einen oder anderen Fall auch zu erklären und eher die Änderung der entsprechenden Verordnung als eine weitere Kontrollebene zu empfehlen. Fehlerkultur bedeutet, die Mitarbeitenden anzuregen, neue Dinge auszuprobieren – nicht zum leichtsinnigen Herumexperimentieren aufzufordern, aber ihnen auch nicht auf die Finger zu hauen, wenn einmal einer eine gute Idee hat. Leider sind wir an vielen Orten weit davon entfernt. Und dann kommt es zu einer Pandemie oder zu einem Krieg in der Ukraine, und alle sind erstaunt, dass die Verwaltung nicht kreativ ist.

Meine Damen und Herren, Humor hat mit Fehlerkultur viel mehr zu tun, als man gemeinhin annimmt. Denn wer Humor hat, bringt Distanz auf zu den Dingen, die er bearbeitet, und er bricht auch nicht gleich ein, wenn einmal ein Fehler passiert. Er (oder sie) führt seine Mitarbeitenden besser, weil er allfällige Fehler aufzeigen, die Kollegen und Kolleginnen aber gleichzeitig motivieren kann. Er weiss zwar, dass er zu jedem Projektchen eine komplexe Organisationsstruktur aufbauen könnte, sodass mit Organigrammen, Beiräten und Steuerungsgruppen, Assessments und Gutachten jede Verantwortung auf homöopathische Dosen verdünnt wird, aber er macht das gerade nicht, weil er es für absurd und für verantwortungslos hält. Die Amerikaner sagen: «It is a damn serious thing to be funny», und meinen damit nicht nur, dass es viel Hirnschmalz zu verbrennen gilt, um einen guten Witz zu erfinden, sondern dass guter Humor auf tiefer und ausgewogener Ernsthaftigkeit abstützt. Von letzterer brauchen wir mehr, dafür etwas weniger vom verkrampften Ehrgeiz, anderen jeden Schnitzer unter die Nase zu halten.

Das zweite Argument betrifft die Politik. Amos Oz, der israelische Schriftsteller, hielt einmal eine Vorlesungsreihe mit dem Titel: «Wie man Fanatiker kuriert». Dabei stellte er fest, dass unter allen Fanatikern, denen er in seinem Leben begegnet war – und im Nahen Osten begegnete er einigen Fanatikern – kein einziger war, der Humor hatte. Damit ist nicht gesagt, dass jeder humorlose Politiker ein Fanatiker ist. Aber meines Erachtens ist selbst bei Politikern, die keinen Humor haben, Vorsicht geboten. Staatspräsidenten ohne Selbstironie sind verdächtig. In China darf man keine Witze über Xi Jinping machen, in der Türkei ist das Witzereissen über den Präsidenten auch nicht zu empfehlen, und in Russland ist es – abgesehen von kurzen Pausen - seit Jahrhunderten lebensgefährlich. Ironischerweise ist gerade der Humor die beste Waffe, um Diktatoren, Macho-Präsidenten und andere Potentaten zu ärgern und zu Fall zu bringen. Noch heute erinnere ich mich an das Strahlen eines DDR-Diplomaten, der mir 1989 auf der Botschaft der DDR in Moskau unbedingt den kürzesten Lenin-Witz erzählen wollte: Zwei Ostberliner treffen sich. Fragt der eine: «Was halten Sie von Lenin»? Antwort: «Lenin? Ik len in ab»! Ich fand das nur halb so lustig wie er, aber für ihn war das, wie wenn er ein Plakat aufgehalten hätte, auf dem stand: «Scheissregime». Kaum sonst wo wurden am abendlichen Küchentisch so viele Witze über das eigene Regime weitererzählt wie in der Sowjetunion: «Frage an Radio Erewan: Was ist Chaostheorie? Antwort: Fragen aus dem Bereich der Landwirtschaft werden nicht beantwortet» – ok, das ist jetzt vielleicht nicht das beste Beispiel, den Witz könnte man auch bei uns erzählen.

Humor ist in der Politik ein unerhörter Vorteil, denn mit ihm lässt sich vieles sagen, was ernst formuliert eine Beleidigung wäre. Wahrscheinlich kennen Sie die Geschichte von Winston Churchill, der – in diesem Punkt vielleicht einem Gymnasiasten nicht unähnlich – sein Französisch für ganz leidlich hielt, während Franzosen, die ihm zuhörten, ohne zu zögern von einem «Massaker an der französischen Sprache» redeten. De Gaulle schrieb später, er habe Englisch gelernt, in dem er Churchill beim Französisch sprechen zugehört habe. Auf jeden Fall, Churchill hatte Humor, und er setzte ihn genauso oft ein wie sein holpriges Französisch. Um seinem Standpunkt besonders Nachdruck zu verleihen, bat er nicht einfach de Gaulle, den britischen Truppen in Afrika den Vortritt zu überlassen, sondern stellte kurzerhand fest: «Si vous m’obstaclierez, je vous liquiderai».

Im Bundesrat wird ein besseres Französisch gepflegt, und in den letzten Jahren hat niemand mit der Elimination der Kollegin oder des Kollegen gedroht, wenn ein Mitbericht nicht zurückgezogen wird. Aber auch im Bundesrat ist Humor ein sehr gutes Mittel, um einen Knoten zu lösen oder um eine schlechte Botschaft besser einzupacken. Ich sage das insbesondere deshalb, weil Mitglieder des Bundesrates und der Bundeskanzler Einladungen zu Matura-Feiern immer mit Talentsuchen für den künftigen Bundesrat verbinden. Da der letzte Glarner Bundesrat (Joachim Heer) ziemlich genau dann verstarb, als Einstein geboren wurde, wäre es tatsächlich angezeigt, wenn die eine oder andere Maturandin, der eine oder andere der hier anwesenden Absolventen sich in den nächsten Jahren eine Kandidatur in die Landesregierung überlegen würden. Aber wenn Sie dazu bereit sind, lassen Sie sich um Himmelswillen nicht den Humor abschwatzen. Den brauchen Sie dann!

Humor braucht es auch in der direkten Demokratie. Nicht nur, um den einen oder anderen Politiker hierzulande auszuhalten, sondern weil man in einer direkten Demokratie abstimmen und damit selber überlegen muss. Wie gesagt, wer Humor hat, denkt selber, und wer selber denkt, wird über die Unzulänglichkeiten unseres Landes lachen müssen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss meines ersten Punktes, den ich allerdings nicht abschliessen möchte, ohne Fritz Zwicky zu erwähnen. Immerhin hat dieser Glarner Physiker als erster verstanden, wie Supernovae und Neutronensterne entstehen (und hat auch 123 Supernovae selber entdeckt), er wies auf die Möglichkeit hin, dass Galaxien Gravitationslinsen sein können, und er entdeckte das, was man heute «Dark matter», dunkle Materie, nennt (sie ist natürlich nicht «dunkel», aber das können die Maturanden ihren Eltern dann am Abendessen erklären). In Amerika ist er überall bekannt, hier kennen ihn viel zu Wenige. Meines Erachtens gehört Fritz Zwicky neben der Glarner Pastete zum Besten, was dieser Kanton zu bieten hat, und stände die Kantonsschule hier in den USA, sie würde wahrscheinlich längst «Fritz Zwicky High School » heissen. Zwicky war alles andere als ein bierernster Spiesser. Im Rückblick schrieb er, er habe zwar sehr hart gearbeitet, aber dass sie, die Physiker von damals, «wenn immer die Gelegenheit sich bot, ausgelassen durch alle Zeiten hindurchtanzten, uns grösste Verrücktheiten im Berg- und Skisport erlaubten, Herumlungern, gutes Essen und Weine sowie Freundschaften in aller Welt genossen, die verkalkten Bonzen verschiedenster Hierarchien ärgerten und sie gelegentlich in ihren unsauberen Machenschaften stoppten». Zwicky konnte ein richtiges Raubein sein. Er scheute sich nicht, einen Kollegen als einen «sphärischen Idioten» zu bezeichnen, «weil er von jedem Betrachtungswinkel her gesehen ein Idiot war». Aber er hatte auch viel Humor, er reagierte allergisch auf alle, die Humorlosigkeit mit weltanschaulicher Tiefe verwechselten, und er könnte auch jenen ein Vorbild sein, die bis anhin geglaubt haben, es genüge, ernsthaft und langweilig zu sein, um im Leben Erfolg zu haben.

Verstehen Sie mich richtig: Es gibt auf dieser Welt sehr viele Menschen, denen geht es sehr schlecht, und sie haben nichts oder nicht viel zu lachen. Kranke, Flüchtlinge, von Krieg, Elend und Armut Betroffene. Man kann und soll nicht über alles hinweglachen, und wer weiss, was die Zukunft noch alles bringen wird. Umso mehr bewundere ich Menschen, die selbst in solchen trostlosen Verhältnissen die Kraft aufbringen, andere mit Humor aufzuheitern. Und umso weniger verstehe ich jene, die in unseren Breitengraden allen Grund hätten, zufrieden zu sein, und trotzdem an der Zeit, an den Umständen, an den Vorhängen oder am Essen herummäkeln. 

Darum motiviere ich vor allem die Maturandinnen und Maturanden hier: Lassen Sie sich nicht entmutigen! Ihre Generation muss es besser machen als die Unsrige. Sollte jemand versuchen, Sie mit seiner betrüblichen Stimmung und mit ernsten Ratschlägen hinunterzuziehen, dann halten Sie hart dagegen. Hören Sie zu, denken Sie selber, machen Sie sich Ihre Argumente, wenn es geht, auch mit Humor, and then: «Speak proudly»! – und falls Sie bis dann die Pille für Benjamin Franklin erfunden haben, von mir aus auch: «Fart proudly»!

Und nun, wie angekündigt und sehnlichst erwartet, zu meinem zweiten Punkt. Was ich Ihnen zum Passé Simple sagen wollte: Ab heute brauchen sie ihn nicht mehr!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 


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